150 Jahre Periodensystem: Giftfreie Thermometer dank Gallium

Insgesamt 118 Elemente umfasst das Periodensystem, und einige von ihnen stellen unsere Professoren in lockerer Reihenfolge vor – anlässlich eines runden Geburtstags: Das Periodensystem wird dieses Jahr 150 Jahre alt. In Ausgabe sieben geht es um Gallium. Über dieses Element mit der Ordnungszahl 31 sprechen wir mit Prof. Dr. Thomas Schupp von unserem Fachbereich Chemieingenieurwesen.

Herr Prof. Schupp, welche Eigenschaften hat Gallium?

Im Prinzip ähnelt Gallium dem Aluminium. Deren Verbindungen sind in Säure und starker Lauge löslich, in neutraler Lösung fällt aber weißes Galliumhydroxid bzw. weißes Aluminiumhydroxid aus. Unterschiedlich ist der Schmelzpunkt, denn der liegt beim Aluminium bei 660 °C, beim Gallium aber bei nur 29 °C. Der Siedepunkt aber ist bei beiden Metallen ähnlich hoch: 2470 °C für Aluminium, 2400 °C bei Gallium. Gallium ist damit prädestiniert für den Einsatz in einem Messinstrument, das wir alle kennen und nutzen: das Thermometer. 

 

Warum ist das so?

Gallium kristallisiert in einer Schichtstruktur, während die Nachbarelemente Aluminium und Indium stabilere Kristallstrukturen ausbilden; für die Aufhebung der Ordnung – also Erreichen des flüssigen Zustandes – ist beim Gallium daher weniger Energie erforderlich als bei den beiden anderen Metallen, und das drückt sich in dem niedrigen Schmelzpunkt aus.   Außerdem ist Gallium im Vergleich zum Quecksilber praktisch nicht giftig, und all diese Faktoren passen perfekt für den Einsatz in unseren Thermometern. Quecksilberhaltige Thermometer dürfen seit 2017 nicht mehr in der EU verkauft werden. Neben den Thermometern nutzt man Gallium aber auch für Leuchtdioden und Solarzellen.

 

Gibt es Gallium denn in rauen Mengen?

Eigentlich schon, Gallium ist etwa so häufig wie Lithium und Blei. Problematisch ist aber, dass Gallium in der Natur nur sehr stark verdünnt vorkommt. Deshalb muss man es anreichern, und dieses Verfahren ist sehr aufwendig.

 

Wie funktioniert das?

Gallium wird als Nebenprodukt der Aluminiumerzeugung gewonnen; dabei werden Lösungen aufgearbeitet, die nur 0,008 % Gallium enthalten. Will man also Gallium haben, braucht man auch für das Hauptelement einen entsprechenden Markt. Recycling von Elektro- und Elektronikschrott ist also angebracht und wird zunehmend wichtiger. Gallium wird in blauen LEDs und in leistungsfähigen Solarmodulen verwendet. Man kann es durch Auslaugen mit Säuren oder durch das Abdampfen der Chloride wiedergewinnen. Diese Methoden funktionieren, man muss aber korrosionsresistente Anlagen haben. An unserer Hochschule haben wir das Phytomining getestet. Das bedeutet: Rohstoffe werden mit Hilfe von Pflanzen extrahiert, also angereichert. Denn man hat herausgefunden, dass dort, wo Schwermetalle abgebaut werden, trotzdem Pflanzen wachsen. Sie neutralisieren die giftigen Metalle und reichern sie an, überleben aber dadurch. Das haben wir bei uns im Labor simuliert.

 

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir dachten uns: Was mit den Pflanzen und Schwermetallen funktioniert, könnte auch mit LEDs und Gallium klappen. Unser Ziel war es, aus geschredderten LEDs mit Hilfe von Pflanzen Gallium zu gewinnen, das heißt den Elektroschrott auszulaugen, also zu reinigen, Wasserlinsen daraufzusetzen und diese wachsen lassen. Im ersten Schritt wollten wir herausfinden, ob das überhaupt funktioniert. Also haben wir eine Nährlösung für Wasserlinsen mit Gallium versehen und die Pflanzen sieben Tage darauf wachsen lassen. Die abgeernteten Wasserlinsen wurden verbrannt. In der Asche konnten wir acht Prozent Gallium nachweisen, das entspricht einer Anreicherung um das Tausendfache im Vergleich zur herkömmlichen Ausgangslösung der Galliumgewinnung! Seitdem wissen wir: Im Prinzip klappt es, und das macht Mut, weiterzuforschen. 

 

Zwei Jahre ist das Projekt jetzt her, hat sich inzwischen etwas Neues ergeben?

Leider nicht so richtig. Allerdings hat einer unserer Doktoranden das Experiment nachgestellt und das Ergebnis aus dem ersten Versuch bestätigt. Es ist schon interessant, welche Geheimnisse die Elemente teilweise noch haben. So ist es auch mit Gallium. Das wurde übrigens 1875 von dem Franzosen Paul-Émile Lecoq de Boisbaudran entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mendelejew das Periodensystem bereits vorgestellt und die Existenz eines „Eka-Aluminiums“ – „hinter- oder unter-Aluminium“ – vorausgesagt, Lecoq de Boisbaudran wusste davon aber nichts. Als Franzose nannte er das neu entdeckte Element „Gallium“ nach dem lateinischen Gallia für Frankreich, aber auch der Name des Entdeckers findet sich wieder: in dem lateinischen Wort für Hahn – gallus –, was im Französischen „le coq“ bedeutet, passend zum Nachnamen des Chemikers. 

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