Gamescom-Start: „Spiele bringen uns ein Stück Kultur“

Am Dienstag (20. August) startet die Gamescom in Köln, und bis zum Wochenende werden wieder mehr als 370.000 Besucher erwartet. Ebenfalls mit dabei: Prof. Dr. Eik-Henning Tappe von unserem Fachbereich Sozialwesen. Was uns am Spielen fasziniert, erklärt er im Interview.

Herr Prof. Tappe, erst mal ganz allgemein: Warum spielen wir überhaupt?

Der Mensch an sich spielt schon immer, genau wie alle anderen Säugetiere auch. Games, also Computer- und Videospiele, sind einfach eine Fortsetzung von Gesellschaftsspielen. Wir können dank ihnen fiktiv andere Welten gestalten und durchleben. Es geht ums Drinsein im Spiel, um das Erleben und auch um das gemeinsame Spielerlebnis mit anderen. Dabei sollte ein Spiel idealerweise ein Flow-Zustand ermöglichen, also nicht zu schwer, aber auch nicht zu einfach zu meistern sein. Ein anderer, wichtiger Punkt ist das Erleben von Geschichten, und dies kann auch mit der Identitätssuche und Identitätsbestätigung einhergehen. Im Game kann ich eine Teilidentität ausleben, die eben auch ein Teil von mir selbst ist.

 

Es geht also nicht nur um Spaß, wie man vielleicht denken könnte?

Nicht ausschließlich. Natürlich macht Gaming auch Spaß und ist gerade bei sehr vielen Jugendlichen beliebt, da es ein wichtiger Bestandteil der Jugendkultur ist. Spiele können aber auch bei der Selbstverwirklichung helfen und sie sind deshalb ein fester Teil der Lebenswirklichkeit. Das muss man ernst nehmen und Games nicht als Zeitverschwendung abtun. Es hilft deshalb immer, wenn das Elternteil das Bewusstsein dafür hat, wie das Game, das das eigene Kind gerne zockt, funktioniert. Sich entgegenkommen ist dann leichter, bei alltäglichen Regeln, aber auch bei problematischem Spielverhalten.

 

Was fesselt uns denn genau an Games?

Eine Geschichte kann für ein Spiel sehr treibend sein, das Gameplay, also die Art und Weise, wie gespielt wird, tritt dann in den Hintergrund. Die Geschichte packt, man will wissen, wie es weitergeht, genau wie beim Buch oder Film. Die Adventures zu The Walking Dead sind da ein gutes Beispiel, weil der Spieler Einfluss darauf nimmt, wie die Geschichte weitergeht. Es geht aber auch andersherum: Wenn die Weltgestaltung und die Spielmechanik gut ausgearbeitet sind, kann die Geschichte relativ nebensächlich werden. Zum Beispiel bei Mario, Tetris oder der Candy Crush Saga – hier ist das Spielprinzip das Fesselnde. Die beiden Formen vermischen sich aber auch häufig oder ergänzen sich, zum Beispiel in Rollenspielen. Wie bei The Witcher, eine sehr erfolgreiche Spielreihe, die Netflix ja jetzt als Serie bringt.

 

Da sprechen Sie einen aktuellen Punkt an: Der Gaming-Markt soll eine neue Spielwiese für Netflix werden. Was steckt dahinter?

Die Tradition der Spieleverfilmung ist eigentlich nicht sehr erfolgreich. Häufig sind Filme zu Serien ein kommerzieller Flop. Tomb Raider war da eine der wenigen Ausnahmen. Manchmal werden Filme auch zu Spielen, zum Beispiel der Herr der Ringe oder Star Wars. Häufig funktioniert das Gameplay aber nicht, die Spiele sind dann langweilig, zu leicht oder zu schwer oder haben Bugs, also Softwarefehler, und lassen sich gar nicht zu Ende spielen. Bei E.T. war das so, da wollten die Spielehersteller den Erfolg des Films abgreifen, aber das Spiel war nicht spielbar. Das ging so weit, dass Hardware sogar in der Wüste vergraben wurde, damit das Spiel schnell vom Markt ist. Um zurückzukommen zu Netflix: Hier sind die Erfolgschancen da. Denn Netflix greift auf, dass es immer mehr Spieler in Deutschland gibt. Laut Spieleverband sind es zwischen 30 und 40 Millionen Menschen allein in Deutschland. Die Branche macht bei uns einen jährlichen Umsatz von 3 Milliarden Euro. Gaming ist also Kulturgut und Wirtschaftsfaktor gleichzeitig.

 

Wie meinen Sie das genau, Games als Kulturgut?

Seit den 80er oder 90er-Jahren haben die Leute in Deutschland PCs im Haus, viele aus dieser Generation sind mit Konsolenspielen großgeworden. Von den Studierenden, die heute in meinen Seminaren sitzen, spielt quasi jeder, egal ob auf dem Smartphone oder am PC. Und generell werden die Menschen immer spieleaffiner. Games bringen uns ein Stück Kultur, und sie können auch bilden. Und wird es noch mehr. Geschichten werden medienübergreifend erzählt, das ist ein Riesenfeld, die Grenzen verfließen mehr und mehr. Wir hatten ja gerade schon das Beispiel mit den Serien, aber es gibt zum Beispiel auch Romane zu Spielen. Oder auch Cosplay aus Japan, dann treten Menschen aufwendig kostümiert als ein Serien- oder Spielecharakter auf. Auch dafür ist die Gamescom ein großer Anlaufpunkt.

 

Sie sind dieses Jahr ebenfalls auf der Gamescom. Was machen Sie dort?

Die Gamescom hat jedes Jahr auch eine Tagung, an der ich teilnehme, dieses Mal stehen Games im Fokus der Jugendhilfe. Wir diskutieren darüber, wie Spiele- und Jugendkultur wahrgenommen werden und entwickeln in Workshops Angebote, wie man Spiele für die Jugendarbeit nutzen kann. Außerdem werden wir die aktuelle Entwicklung diskutieren, dass Fortnite für den Multiplayer-Teil nun offiziell für Spieler ab 12 Jahren freigegeben ist. Das sorgt für Diskussionsstoff, weil das Spiel ein Ego-Shooter ist, aber in einer Fantasiewelt und ohne Blut. Außerdem diskutieren wir über In-App-Käufe, die ich sehr kritisch sehe, weil die Kosten schnell aus dem Ruder laufen.

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